Zehn Jahre Shaolin Kung Fu und Qi Gong in Coburg

Interview mit dem Gründer und Schulleiter Rittirong Konggann

Rittirong Konggann ist Gründer der Kung Fu und Qi Gong Schule „ZENit“ in Coburg. Seit mittlerweile zehn Jahren unterrichtet er hier die Kunst von Shaolin. Er beantwortet Fragen zu seinem Werdegang, seinen Motiven sowie zu Kung Fu und Qi Gong, die er immer wieder von Anfänger in seiner Schule gestellt bekommt.

 

Rittirong Konggann beim Qi Gong

 

Wie kamen Sie auf den Namen „ZENit“?

Für mich war die ZEN-Philosophie schon immer von großer Bedeutung. Viele Westler verbinden ZEN nur mit stiller Meditation. Aber ZEN bedeutet Achtsamkeit in allen Lebenslagen. Ein Zen-Meister gab mir sogar den Auftrag, ich solle nicht das stille Sitzen unterrichten, sondern eine Methode wählen, mit der ich mehr Leute begeistern kann. Das war dann mein Erleuchtungserlebnis. Und dieser Auftrag leuchtet bis heute auf mich und gibt mir Kraft. Wie die Sonne, wenn sie im Zenit steht, dem Scheitelpunkt am Himmel.

 

Rittirong Konggann
War es schon immer Ihr Traum, Kung Fu und Qi Gong zu unterrichten?

Träumen kann man viel. So wie die Träume sich häufig verändern, wechseln auch in der Ausbildung ständig die Berufswünsche. Gerade an der Universität gibt es viele, die noch nicht wissen, was sie mit ihrem Studium machen sollen. Deshalb arbeitete ich neben meinem Pädagogikstudium in vielen verschiedenen Berufsfeldern und nahm an zahlreichen Weiterbildungen teil. Aber mit einer Tatsache rechnete ich nicht. Die meisten Fähigkeiten für meinen späteren Beruf, erlernte ich bei meinen Hobbys Kung Fu und Qi Gong. Mit der Zeit wurde auch immer klarer, dass man diese Fähigkeiten aus Shaolin gut mit Pädagogik verbinden kann.

So eröffnete ich dann vor zehn Jahren eine kleine Kung Fu und Qi Gong Gruppe in Coburg. Doch als Hauptberuf konnte ich es noch nicht ausüben und der Traum von einer Kung Fu Schule in Coburg platzte fast. Ich musste mich nämlich bundesweit bewerben und saß schon auf gepackten Koffern. Wie der Zufall so will, fand ich aber einen Job in Coburg. So konnte ich den Traum von einer Kung Fu und Qi Gong Schule wieder in Angriff nehmen. Zum Glück fand ich dann in der Bahnhofstraße in ruhiger und zentraler Lage große Trainingsräume. Gemeinsam mit meinen Schülern renovierten und gestalteten wir das ZENit nach unserem Geschmack. Vor Kurzem kam ein ehemaliger Studienkollege vorbei und bemerkte staunend: „Wow, dass ZENit ist klasse. Du hast es geschafft, du hast dein Hobby zum Beruf gemacht.“ Stimmt eigentlich, trotzdem träume und arbeite ich weiter. Denn meine Schüler haben auch Lebensträume, die sie mit den Tugenden von Kung Fu und Qi Gong leichter verwirklichen können: mit Geduld, Gelassenheit und Humor.

 

Rittirong Konggann mit Johannes Scholz beim Training in China im Frühjahr 2010.

 

Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie alles noch einmal genau so machen?

Natürlich nicht, die gleichen Fehler wollte ich nicht noch einmal machen. Aber man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Wir können unser Verhalten nur reflektieren und auf Veränderungen in der Zukunft hoffen. Zum Beispiel hoffe ich, dass ich die Wünsche meiner Schüler besser von ihren Augen ablesen kann. Früher gelang mir dies gar nicht. Da war ich noch viel zu aufgeregt und eher damit beschäftigt, mein Unterrichtskonzept im Auge zu behalten. Nach zehn Jahren Lehrtätigkeit sind die Inhalte natürlich in Fleisch und Blut übergegangen. Jetzt bleibt mehr Zeit, auf die Fähigkeiten der Einzelnen zu schauen. Und ich bin mir noch nicht sicher, ob man dazu wirklich in die Augen schauen muss. Herr Kuwahara, der Kalligraphieseminare im ZENit gibt, meint sogar: „Der Mensch hat viele Augen, auch hinten am Kopf und am ganzen Körper. ZEN öffnet sie!

 

Sie sind in Thailand geboren und haben die buddhistische Philosophie von Kindesbeinen an erlebt. Wie vermitteln Sie den Kindern, die ihre Kurse besuchen, die östliche Mentalität?

Ja, mein Vater ist Thailänder und so ähnlich wie er, vermittle ich die östliche Mentalität. Schließlich haben auch mich die ersten drei Lebensjahre in Asien geprägt. Das heißt, ich lehre weniger die buddhistische Philosophie, sondern lebe sie vor. Gerade Kinder haben dadurch leichter einen Zugang zu den Shaolin-Tugenden wie Unerschütterlichkeit und Mitgefühl. Und die Kinder genießen die lockere und asiatische Atmosphäre. Sie kommen gerne und sind motiviert, dürfen auch mal Quatsch machen, reden und Fragen stellen. Dann gibt es aber wieder ganz klar die Regel: „Wenn Trainer oder Kinder etwas zeigen, gilt Zuschauen und Zuhören!“

 

Was ist das Besondere an Weng Chun Kung Fu im Vergleich zu anderen Kampfsportarten?

Weng Chun ist sehr abwechslungsreich, ohne ein Mischmasch von verschiedenen Stilen zu sein. Wir haben zwar verschiedene Techniken, von denen man sagt, das könnte aus dem Judo oder aus dem Karate sein. Aber beim Weng Chun trainieren wir alle Distanzen. Die weite Distanz, wo man eben kickt und schlägt; dann die Selbstverteidigungsdistanz, bei der man sehr viel greift, hebelt und stößt; bis hin zur Wurfdistanz wie im Judo und dem Bodenkampf wie beim Jiu Jiutsu. Zudem gibt es im Kung Fu traditionelle Formen mit und ohne Waffen, um den Körper fit zu machen und den Geist von Alltagsgedanken zu befreien. Und wer Interesse an philosophischen Aspekten im Kung Fu hat, vertieft sich in den Lehren von Yin und Yang, den fünf Elementen aus der chinesischen Medizin oder den geschichtlichen Hintergründen von Kung Fu und Qi Gong.

 

Welche Bedeutung hat Kung Fu in Ihrem Leben?

Während des Studiums war die Kampf- und Entspannungskunst eine gute praktische Ergänzung zu den theoretischen Inhalten der Pädagogik. Später war sie ein guter Ausgleich zu den Belastungen im Job. Jetzt bin ich in Elternzeit. Das heißt, ich kann mich ganz auf die Organisation und das Training im ZENit konzentrieren. Und die Kraft und Ruhe, die ich daraus gewinne, gebe ich an meine Familie weiter. Denn Weng Chun bedeutet übersetzt „Ewiger Frühling“. Diese Frische erleben aber nicht nur die Meister, selbst blutige Anfänger – egal ob Mann oder Frau, jung oder alt – berichten mir nach dem Training begeistert von ihrer gesteigerten Lebensenergie.

 

Sie unterrichten nicht nur Kung Fu, sondern auch Qi Gong. Was genau ist das?

Das ist eine sehr schwere Frage. Eine Antwort kann man nur durch Übung herausfinden. Ein Schüler hat es so beschrieben: „Ich bin ein sehr energischer Mensch. Als Anfänger wollte ich nur zur Ruhe kommen. In der Gruppenstunde entdeckte ich dann bei fortgeschrittenen Schülern ein stilles und zugleich mächtiges Energiefeld. Das beeindruckte mich sehr. Schritt für Schritt komme ich nun dem Geheimnis näher. Am Anfang ließen Schmerzen nach, dann kam die Entspannung. Nun warte ich auf die Erleuchtung. Ha! Ha! Auf jeden Fall sind meine Knieschmerzen weg!“

Ich erkläre Qi Gong meist so: Auf dem Weg zu tieferen Erkenntnissen gibt es  Atemübungen in stillen Positionen oder mit fließenden Bewegungen. Chinesische Wirbelsäulen- und Meridiangymnastik richten mich wieder auf. Mit Hilfe von Akupressurpunkten lösen sich Blockaden. Als Lehrer achte ich darauf, wie praktiziert wird. Humor und Achtsamkeit müssen gut ausbalanciert werden. Dies gelingt meistens nach 15 Minuten. Den Rest der Stunde können sich die Teilnehmer dann von den Übungen tragen lassen. Leichtigkeit beherrscht den Raum und wir können lächelnd nach Hause gehen. Einige schaffen es sogar, beschwingt die nächsten sieben Tage zu meistern. Zum Glück ist dann wieder Unterricht im ZENit. Ansonsten kann man die Übungen auch leicht zu Hause wiederholen.

Qi Gong gehört zudem zu den Präventionsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenkassen. Das bedeutet, dass 75-100% des Kursbeitrages zurückerstattet werden.

 

Welche Voraussetzungen sollte ein Kursteilnehmer mitbringen, der die Shaolin Künste bei Ihnen lernen möchte?

Die wichtigste Voraussetzung ist Zeit. Zeit etwas für sich zu tun. Und Zeit findet sich immer, wenn man einige Konsumgewohnheiten reduziert. Also Flimmerkiste aus und rein in die Turnschuhe!

Viele Erwachsene glauben, dass sie für Kung Fu mit 30 oder 40 Jahren zu alt sind. Keine Sorge, wir machen kein Spagat oder sonstige akrobatische Showeinlagen. Mit Qi Gong sind sogar schon 80-Jährige glücklich geworden. Allerdings liegt das Mindestalter bei den Kindergruppen bei fünf Jahren.

 

Nehmen Sie auch an Wettkämpfen teil oder üben Sie diesen Sport nur für sich aus?

In meiner Kindheit und Jugend nahm ich erfolgreich über neun Jahre an sehr vielen Karate Wettkämpfen teil. Daher ist es mir jetzt nicht mehr so wichtig. Seit 16 Jahren trainiere ich nun begeistert Kung Fu und Qi Gong. Dies gelingt nur, wenn die inneren Werte einer Kampfkunst motivieren. Natürlich habe ich auch Schüler, die ein Ziel fürs Training benötigen. Dann gibt es spezielles Wettkampftraining. Eine Goldmedaille holten wir letztes Jahr sogar bei den Europameisterschaften.

 

(Februar 2010)